Dornenrindentinte

Nach Theophilus Presbyter's  „Schedula diversarum artium“  aus dem 12. JH.

Das Tintenfass ist fast leer, "gebenedeit und geschändet seist du zugleich, Maria!", Richenza flucht, schlägt verkehrt herum das Kreuz, fürchtet sich vor dem Zorn der Äbtissin, entdeckte diese die Fahrlässigkeit im Skriptorium. Hurtig macht sie sich auf in den Wald, um Schwarzdornäste noch vor dem Blühen zu ergattern. Sie muss sich beeilen, der Frühling in seiner Pracht wartet nicht. Im Kloster trocknet das Gewächs noch drei Wochen in der Sonne, ehe sie es mit dem Hammer quält, um die Rinde zu lösen. Diese muss eine Woche in Wasser eingelegt, und anschliessend gekocht werden. Der rote Sud wird entnommen, die Rinde abermals mit neuem Wasser gekocht, bis die Hölzchen völlig ausgeblutet sind. Nun verkocht Richenza den Sud zu zwei Dritteln, versetzt ihn mit Rotwein, von dem sie sich vorher natürlich etwas gönnte. Eine Schande, den teuren Wein zu so etwas zu vergeuden! Sie verkocht den Sud so lange, bis nur noch eine geleeartige Masse in der Pfanne und an ihren Händen klebt. Ganz trunken vom warmen Rotweingeruch wird es Zeit das Pergamentsäckchen mit der Pampe zu befüllen, und das ganze an der Sonne trocknen zu lassen. Nach Tagen des Dörrens verrührt Richenza ein Ecklein zur Probe in etwas Wein, das sie zu flüssiger Tinte verrührt. Sie übertreibts wieder mit dem Wein, so ist das Textpröbelein viel zu hell. Atramentum (Tintenstein) würde helfen, dieser fehlt jedoch. Aber gottlob empfiehlt Presbyter; "nimm ein kleines Brötchen, Fingerdick, lege es ins Feuer, lass es glühen, und wirf es rasch in die Tinte." Nadann..... muss Richenza rasch ein Brötchen im Backhaus stibitzen.




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